Etappe 4: von Bormio nach Dimaro, 83,4 km und 2045 hm, über den Passo di Gavia und den Passo del Tonale.
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Bei strahlend blauem Himmel starteten wir um 9.00 Uhr zu unserem vorletzten, vielleicht härtesten Radtag. Die beiden heutigen Pässe zusammengenommen übertrumpfen das Stilfser Joch um ca. 200 hm, dafür gibt´s dazwischen eine schöne Abfahrt zur Erholung.
Der Gavia-Pass verbindet Bormio (1217m) mit Ponte di Legno (1258m). Zu Unrecht steht der Gavia-Pass im Schatten des Stilfser Jochs, da er landschaftlich fast eindrucksvoller ist. Die imposante Straßenbaukunst des Stilfser Jochs, mit seinen 48 Kehren und der Schlusswand, wird zwar nicht angetastet, der Gavia-Pass präsentiert sich jedoch bei weitem abwechslungsreicher. Er beginnt eher unscheinbar durch schattigen Wald, bis sich kurz vor St. Catarina, das nach 13 km passiert wird, öfters der Blick auf einen kleinen Fluss tief unten im engen Tal auftut. Gleich nach dem Ortsende wird für die nächsten 9 km die Beinmuskulatur mal wieder kräftig in Anspruch genommen, da auf der nun sehr schmalen, dafür verkehrsarmen Straße Steigungsspitzen bis 13% auftreten. Mehr und mehr nimmt der Fels in der anfänglichen Graslandschaft überhand, bis man sich, nur wenige Kilometer vor der Passhöhe in einer Art Hochebene wiederfindet, in der wunderschön der Lago Bianco gelegen ist.
Lago Bianco, im Hintergrund die schneebedeckten Spitzen des Corno dei Tre Signori (3360m)
Die Passhöhe (2618 m)
Manuel und Rainer benötigten für die 1400 Höhenmeter 2 Stunden und 12 Minuten. Als wir alle wieder beisammen waren, ging es nach kurzer Einkehr im Rifugio Bonetta an die wunderschöne Abfahrt. Gleich unterhalb der Passhöhe ergab sich ein sagenhafter Blick auf den Lago Nero. Gerne hätte ich angehalten, um das vielleicht schönste Foto der ganzen Tour zu schießen, aber die Gruppe wollte weiter („Wir wollen die Alpen überqueren und keinen Bildband entwerfen.“). Gleich darauf ist es auch schon vorbei mit der Aussicht, denn wir steckten in einem unbeleuchteten ca. 600 Meter langen Tunnel. Vorsicht ist hier angesagt, da zu den schlechten Sichtverhältnissen noch Wasser kommt, das teilweise sturzbachähnlich von der Decke schießt und dem Asphalt jeglichen Gripp nimmt. Nach dem Tunnel befindet sich rechts neben uns, gigantische 600 Meter tiefer das Malsatal (Val Malsa). Spätestens jetzt ist klar, der Gavia Pass bekäme von mir die gleiche Punktzahl auf einer Highscore-Liste wie das Stilfser Joch. Weitere 10 Kehren runden die Abfahrt bis Ponte di Legno ab, wo für uns der Gavia nahtlos in den Tonale-Pass übergeht.
Da der Passo del Tonale nur einen kleinen unbedeutenden Zacken auf dem Höhenprofil darstellt, hab ich mich vorher nur spärlich mit ihm befasst. Ungefähr 600 hm hatte ich noch im Hinterkopf. Eine Fahrt ins Blaue sozusagen und ich war mir auch bis zuletzt nicht im Klaren, wo denn die Passhöhe zu erwarten sei. Am Landschaftsbild lässt es sich an diesem Pass nicht erkennen, da sich immer Kehren und langgezogene Geraden mit stetiger Steigung abwechseln. Wenn mir nur wenigstens jemand gesagt hätte, dass die Passhöhe fast erreicht ist, wenn man die Skilifte sehen kann, hätte ich mir die obligatorische Rast nach einer Stunde, in der ich ein ekelhaftes Power-Gel zu mir nahm, sparen können. Wirklich nur 1,2 Kilometer (hab ich auf Google Earth nachgemessen) später, hinter der nächsten Kuppe, warteten meine Freunde auf mich in der UFO Bar, auf der Passhöhe.
Geographisch stellt die Passhöhe die Grenze von der Lombardei ins Trentino dar, auch landschaftlich lösen Obstplantagen im nun folgenden breiteren Val di Sole die dicht bewaldeten engen Berghänge des Stilfser Joch Nationalparks ab. Zum zweiten Mal an diesem Tag durften wir uns über eine grandiose Abfahrt freuen, die uns in östlicher Richtung nach Dimaro im Naturpark Adamello-Brenta führte. Bei dieser Abfahrt spürte man auch ganz deutlich, dass wir nun dem Südende der Alpen immer näher kamen, es wurde deutlich wärmer, bei fast 30°C laufen wir in Dimaro ein. Nur 2 Kilometer weiter in Monclassico befindet sich unser Hotel. An dieser Stelle herzlichen Dank an Rainer, der sich um den Großteil der Übernachtungen auf der Strecke gekümmert hat.
Jetzt haben wir nur noch die Brenta zwischen uns und dem Gardasee, dem Südende der Alpen, dem Ziel unserer Reise. Zwischen der Brentagruppe und dem Adamello-Presanella-Massiv liegt eine knapp 1700 m hohe Einkerbung, welche wir uns morgen zunutze machen werden, um die letzten 100 km bis nach Torbole zu überwinden.
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